Berlin, 10.7.2010 - 'Megaspree - Rette Deine Stadt' - Demo-Parade für eine kulturell vielfältige, freie und soziale StadtBilder

MEGASPREE - Rette deine Stadt!

Aufruf 2010

Für den 10. Juli 2010 rufen wir zu einer fetten Demo-Parade auf, um gegen die Stadtpolitik von oben zu protestieren. Von Mitte, Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Kreuzberg und Treptow aus werden sich Demozüge am Roten Rathaus zu einem großen Protestfest vereinigen.

Der Krisenverwaltungspolitik und den Beton-Stadtentwicklungsstrategien stellen wir ein Recht auf eine kulturell vielfältige, freie und soziale Stadt entgegen. Wir wollen mit entscheiden, was in unserer Stadt geschieht.

Wir sind ein Bündnis aus Kunst- und Kulturschaffenden, politischen, ökologischen und sozialen Gruppen, FreiraumbewohnerInnen und ClubbetreiberInnen, die von den derzeitigen Umstrukturierungsprozessen betroffen sind. Zahlreiche Clubs, Einrichtungen und Initiativen unterstützen den Aufruf!

Rette deine Stadt – vor dem Ausverkauf!

Eine Politik, die öffentliche Freiflächen nur als potenzielle Verkaufsobjekte sieht, ist keine Politik, sondern allenfalls ein Wirtschaftsbetrieb.

Für die Rettung wichtiger kommunaler Potenziale für das Gemeinwesen!

Es ist neoliberale Systematik, dass das öffentliche Gemeinwesen zugunsten privater Bereicherung abgebaut wird. So kommt fast alles Öffentliche auf den Prüfstand, ob eine Privatisierung möglich ist. Die hohe Staatsverschuldung ist ein geeignetes Argument, selbst die ungeheuerlichsten Privatisierungsmodelle auszuprobieren. Selbst ruinöse Misserfolge bewegen die Politik kaum zur Umkehr, zu mächtig scheint die Welle des neoliberalen Zeitgeistes zu sein. Vielerorts spielen Bestechungen politischer Entscheidungsträger ein große Rolle und verhindern einen politischen Richtungswechsel. In Berlin sind die Bezirke, die landeseigenen Betriebe und der Liegenschaftsfonds angewiesen, sämtliche zur Verfügung stehenden Liegenschaften zu privatisieren. Diese Stadtentwicklungspolitik, die ausschließlich mit dem Taschenrechner betrieben wird, ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit und hält trotz jahrelanger Mahnungen und Proteste an.

Rette deine Stadt - vor der Gentrifizierung!

Die Mietspirale dreht sich nach oben, obwohl immer mehr Menschen auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind. Dennoch überlässt die Politik das Grundrecht auf Wohnen dem freien Markt. Dem ungezügelten Anstieg der Mieten müssen wieder Regulierungen Einhalt gebieten.

Die Deregulierung hat die Geldgier der Immobilienspekulanten enorm gesteigert. „Eigentum verpflichtet zum Gemeinwohl“? Das steht zwar im Grundgesetz, in der Praxis zählt die Rendite. Die Mieten liegen in Berlin mittlerweile über dem Bundesdurchschnitt, die Löhne jedoch weit darunter. Unzählige Menschen räumten bereits ihre Innenstadt-Wohnungen und zogen in preiswertere Bezirke zugunsten kaufkräftigen Klientels. An sozialen Wohnungsbau wird in der Berliner Politik nicht einmal gedacht - man bildet sich ein, der Wohnungsmarkt sei „entspannt“, so Senatorin Junge Reyer (Stadtentwicklung). Die letzten Segmente politischer Einflussnahme auf den Wohnungsmarkt, die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, werden verschleudert und die Mieter und Mieterinnen schutzlos den Spekulanten überlassen.

Rette deine Stadt – vor der Zubetonierung!

Immer weitere kostbare Freiflächen in der Stadt sollen bebaut werden. Nicht nur am Spreeufer gibt es ehrgeizige Pläne, die Stadt gnadenlos zuzubetonieren.

Für eine behutsame, partizipative und dezentrale Stadtentwicklung!

Was spätestens nach den Zerstörungen des zweiten Weltkrieges begann – ein Bewusstsein für großzügige öffentliche Räume, um die Fehler der an sich selbst erstickenden Stadt nicht zu wiederholen – ist in Vergessenheit geraten. Mit dem „Planwerk Innenstadt“ wurde Berlin ein brutale Lückenschließung verordnet, die an fast jeder Stelle der Stadt eine großstädtische Enge erzeugen sollte. Dieser Bau- und Planungswut sind z.B. in Mitte bereits zahlreiche öffentliche Räume zum Opfer gefallen und weitere sollen folgen. Sogar der Platz vor dem Roten Rathaus soll bebaut werden, womit die politischen und kulturellen Veranstaltungen davor der Vergangenheit angehören würden. An der Spree hat man den Investoren den roten Teppich bis ans Ufer ausgerollt – könnt ihr alles haben... Und sämtliche Pläne wurden trotz Proteste ignorant durchgesetzt. Wir meinen: Damit muss jetzt Schluss sein!

Rette deine Stadt - vor dem Kulturkahlschlag!

Alternative Kultur, die Berlin ausmacht, wird zunehmend durch Fehlentscheidungen und Konzentration auf ein spießbürgerliches Lebensmodell platt gemacht.

Subkulturelle Vorreiter zur Veredelung und besseren Vermarktung der Kieze? Nicht mit uns – wir bleiben!

In den Leitbildern der Stadtplanung kommen alternative Lebensentwürfe so gut wie nicht vor. Clubs und Einrichtungen, für die nicht nur der Gewinn im Vordergrund steht, haben es besonders schwer im Gesetzesdschungel. Kultur wird hauptsächlich da gefördert, wo ohnehin das meiste Geld ist. Alternative Kulturstätten, wie z.B. das ACUD werden durch die Streichung von wenigen tausend Euro durch den Senat in den Ruin getrieben. Dabei sind sie es, die Berlin eine so hohe Anziehungskraft verleihen. Weil sie in den Vorstellungen des Senats nur Zwischennutzungen sind, gilt es als selbstverständlich, dass sie eines Tages sämtlich verschwunden sind, wie z.B. am Spreeufer. Die Pioniere würden schon woanders unterkommen – was in den Plänen der durchkommerzialisierten Stadt leider unmöglich werden wird. Das subkulturelle Pionierkonzept zur Veredelung der Kieze scheitert in dem Moment, wenn diese sich nicht mehr mit Ersatzräumen immer weiter außerhalb der Innenstadt zufrieden geben – und bleiben.

Rette deine Stadt - vor dem Verkehrschaos!

Der autogerechte Umbau der Stadt geht weiter. Statt auf ein zukunftsweisendes ökologisches Verkehrsmodell zu setzen, werden Unsummen für Straßen- und den Stadtautobahnbau eingeplant. Stopp A100!

Es steht eine historische Entscheidung an: mit dem 16. Bauabschnitt der A100 würde der Auftakt für einen neuen Autobahnring durch Ost-Berlin entlang der Ringbahn geschaffen – momentan quert die Autobahn 111/100/113 die gesamte Stadt und kann als fertig gestellt betrachtet werden. Alle wissen: einmal begonnen wird sich die neue Autobahn durch den gesamten Ostteil der Stadt fressen. Die zerstörerische Wirkung kann man rund um die bestehende Stadtautobahn studieren. Dort sind für große Stadtbereiche die Aufenthalts- und Lebensqualität gleich null – wer möchte schon an einer Autobahn wohnen? Es gibt Alternativen zur Autobahn – preisgünstiger öffentlicher Nahverkehr, gefahrloses Fahrradfahren, autofreie Stadtbereiche und vielleicht eine Stadtstraße, die die Situation an der Grenzallee für den Autoverkehr etwas entspannt...

Rette deine Stadt - vor dem Klimakollaps

Das Stadtklima des Großraums Berlin ist auf die Frischluftzufuhr durch die Luftströmungen insbesondere im Spreebereich angewiesen. Geplant sind dort zahlreiche neue Hochhäuser und mehrere Kraftwerke.

Für den Erhalt der „grünen Lungen“ Berlins!

Rette deine Stadt – vor Bau-Monotonie

Berlin verliert sein Gesicht, das auch zahlreiche Besucher begeistert, indem einmalige Bausubstanz und kreativ genutzte Freiräume zugunsten von an den Interessen der Wirtschaft ausgerichteten Beton-Stahlgiganten ersetzt werden. Für eine erlebbare Stadtgeschichte und eine authentische Gegenwartskultur.

Rette deine Stadt – vor Überwachung

Aus ehemaligen Freiräumen werden durch Kameraüberwachung und Wachschutz Angsträume, die eine freie Entfaltung des Menschen bewusst und unbewusst beeinträchtigen. Weg damit! Keine „gated communities“!

Rette deine Stadt – vor Ignoranz!

Der Bürgerwille muss respektiert und hinreichend umgesetzt werden. Der Senat hat sich bisher im Umgang mit den eindeutigen Bürgerentscheiden wie „Spreeufer für alle!“ nicht mit Ruhm bekleckert. Für „echte“ Bürgerentscheide!

Wenn wir es nicht schaffen, unsere Kieze vor weiterem Ausverkauf zu bewahren, dann zahlen wir dafür mit einer Zerstörung der kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur, mit steigenden Mieten, mit der Vertreibung eines Großteils der Bevölkerung und mit einer Ersetzung unserer urban-experimentellen Vielfalt durch einen kulturellen Mainstream. Geh’ auf die Straße! Für dein Recht auf Stadt!

Quelle: ko-kr.connect.facebook.com